Museum Folkwang, Essen. Bis 7. September
Paula Rego. The Personal and The Political
Museum Folkwang, Essen. Bis 7. September
22. Sep. 2025,
Geschrieben von
Paula Rego.
The Personal and
The Political
Stolz ist das Essener Museum Folkwang auf seine Ausstellung mit 130 Arbeiten der portugiesischen Malerin Paula Rego (1935-2022). Und hoch erfreut berichtet Museumsdirektor Peter Gorschlüter auf der Pressekonferenz über ungewöhnlich zahlreiche E-Mails, mit denen Künstler:innen sowie Kunstkenner sein Haus bereits vor Ausstellungsbeginn zu diesem Ausstellungsprojekt beglückwünschen. So wird Rego als eine Künstlerin für Künstler:innen und – zahlreichen internationalen Preisen zum Trotz – als ein Geheimtipp vorgestellt. Einerseits. Andererseits betonen Kuratorin Nadine Engel und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Antonina Krezdorn das öffentlich wirksame Engagement der Malerin, die sich in frühen Jahren gegen den Diktator Salazar wendet und schließlich für feministische Positionen steht. Für PTK hat sich Torsten Kohlbrei „The Personal and The Political“ angeschaut.
Was für eine Entwicklung: Dort „Iberian Dawn“, eine Collage, mehr Zeichnung als Gemälde, die 1962 die nicht enden wollende politische Dämmerung in Spanien und Portugal imaginiert, später die farbenfrohe, mit expressivem Pinselstrich auf die Leinwand gebrachte Szene „Red Monkey Beats His Wife“ von 1981 und schließlich der Wechsel zum Pastell und zu einer stärker malerischen Sprache, die um 2000 veristische Züge hat, wohl um die politische Botschaft klar und ohne Bildungsbarrieren zu verbreiten. Noch später – Rego ist bereits weit über 70 Jahre – die skizzenhaften, ungeheuer treffsicher hingeworfenen Selbstporträts, bei denen die Künstlerin statt mit Selbstmitleid, mit so etwas wie Neugierde den eigenen körperlichen Verfall dokumentiert.
So kann man durch diese Ausstellung wandern, im Bewusstsein der eigenen Ahnungslosigkeit über die politischen Verhältnisse am südlichen Rand des europäischen Kontinents, mit großen Augen und wachsender Begeisterung für die figurative Stärke von Paula Rego, die Alte Meister zitiert und erkennbar die Kunst ihrer Zeit miterlebt, mitmalt. Ob der Besucher mit dieser Rezeption der zweiten großangelegten Paula Rego Ausstellung des Jahres (Basel, Kunstmuseum im Frühjahr) gerecht wird, würden die Kuratorinnen allerdings bezweifeln. Denn ihnen geht es mit „The Personal and The Political“ gerade um die Erlebnisdimensionen jenseits des kunstimmanenten Blicks. Paula Rego ist eine politische Künstlerin, die sich früh an der Diktatur in ihrem Heimatland reibt und über vier Jahrzehnte zu einer feministischen Position findet. Dabei wird das Politische persönlich. Rego führt ihre Erlebnisse als Beleg für gesellschaftliche Missstände vor. Das Persönliche wollen Engel und Krezdorn jedoch nicht auf Biographisches verkürzt sehen. Gerade in der Visualisierung der alltäglichen strukturellen Geschlechtergewalt entdecken die Ausstellungsmacher den besonderen Beitrag von Paula Rego. In der Pressekonferenz verdichten sie diesen Ansatz auf eine Frage, die sie hinter allen Bildern festmachen: Wer handelt hier eigentlich?
Als Ausgangspunkt der Essener Schau nennt Nadine Engel die künstlerischen Interventionen von Paula Rego für einen Volksentscheid zugunsten des Rechts auf Abtreibung. 2007 stimmt im katholisch geprägten Portugal eine Mehrheit der Legalisierung zu. Mitentscheidend – so die noch nicht ausreichend historisch-kritisch ausgeleuchtete Annahme – ist Regos „Abortion“-Serie. Hier zeigt sie mit brutaler Realistik unter welchen Bedingungen und gesundheitlichen Gefahren Frauen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung ausüben, wenn die Gesellschaft ihnen keine andere Wahl lässt.
Red Monkey Beats His Wife, 1981 Acryl auf Papier, 65 × 105 cm Courtesy The Estate of Paula Rego and Victoria Miro © Paula Rego Estate
Rego hat sich dazu bekannt, „Malerei als politische Waffe“ einzusetzen. Und das ist wörtlich zu nehmen. Ihre Waffe trifft mit künstlerischen Mitteln. Sie findet Momente, die dem Betrachter die Geschichte dieser jungen Frauen auf einen Blick nahebringen. Dabei fehlt alles platt Agitatorische. Es bleibt Raum fürs eigene Gefühl und eigene Urteil.
Dass diese Bilder mit Pastellkreide ausgeführt werden, zeigt wie reflektiert, Rego ihre Botschaft formuliert. Hier ist es die dem eher geringgeschätzten Genre des Porträts zugeordnete „weiche“ Technik, da nutzt Rego die Aquatinta des frühen politischen Künstlers Goya für Graphiken, dort spielt sie mit den Formen des Herrscherporträts, um ihr Rollenverständnis darzustellen.
Das Persönliche ist politisch, weil es in Malerei transformiert wird. So reizt es zur Betrachtung und so kann man die Hoffnung von Paula Rego und ihren Interpretinnen am Folkwang Museum mit Zuversicht teilen: „… dass Kunst unsere Realität zu verändern mag.“
Celebration, 1953 Öl auf Leinwand, 162 × 130 cm Courtesy The Estate of Paula Rego and Victoria Miro © Paula Rego Estate
Gluttony, 2019 Mischtechnik, 150 ×110 × 175 cm Courtesy The Estate of Paula Rego and Victoria Miro © Paula Rego Estate
Autor: Museum Folkwang (Hrsg.)
Titel: Paula Rego. The Personal and The Political
Verlag: Hatje-Cantz Verlag, Berlin
240 Seiten
Sprache Deutsch, Englisch
ISBN: 978-3-7757-6096-6 (deutsch), 978-3-7757-6095-9 (englisch)