Ausstellungsbesprechungen

Gauguin Unexpected. Bank Austria Kunstforum Wien, bis 19.01.2025

Das Bank Austria Kunstforum Wien zeigt eine große Retrospektive zum Werk Paul Gauguins – die erste in Österreich seit 1960. Die Ausstellung begleitet Gauguin von seinen Anfängen als Postimpressionist bis hin zu seiner Vorreiterrolle als einer der Väter der Moderne. Andreas Maurer hat sich von Gauguins farbintensiven Bildwelten verzaubern lassen.

Paul Gauguin: Frau vor einem Stillleben von Cézanne, 1890 Öl auf Leinwand 65,3 x 54,9 cm The Art Institute of Chicago Joseph Winterbotham Collection © bpk/Art Institute of Chicago/Art Resource, NY/Elyse Allen
Paul Gauguin: Frau vor einem Stillleben von Cézanne, 1890 Öl auf Leinwand 65,3 x 54,9 cm The Art Institute of Chicago Joseph Winterbotham Collection © bpk/Art Institute of Chicago/Art Resource, NY/Elyse Allen

Das Bank Austria Kunstforum Wien präsentiert mit „Gauguin – unexpected“ eine außergewöhnliche Retrospektive des Malers Paul Gauguin, einem der einflussreichsten Wegbereiter der Moderne. Mit dieser Ausstellung wird zum ersten Mal seit den 1960er-Jahren in Wien eine umfassende Präsentation seines Werks gezeigt, die sowohl seine künstlerische Entwicklung als auch die vielfältigen Facetten seiner Schaffensperiode umfasst.

Paul Gauguin (1848–1903) repräsentiert die Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das gefühlte, subjektive Erleben in den Mittelpunkt ihrer Schaffensweise rücken und das Bild als autonomes Kunstwerk definieren. Denn im Gegensatz zu den Impressionisten, die vor allem versuchen den Moment einzufangen, versteht Gauguin die Malerei nicht als bloße Wiedergabe der Natur, sondern als Ausdruck von Stimmungen und Emotionen,
Die Schau beleuchtet Gauguins Wandel vom Spätimpressionismus über den Symbolismus und Synthetismus bis hin zu seiner bekannten revolutionären Bildsprache, die weit ins 20. Jahrhundert hinein wirkt. Besonders bemerkenswert ist die Vielfalt seiner Arbeiten: Neben über 80 Gemälden erwarten die Besucher:innen auch eindrucksvolle grafische Zyklen und Skulpturen, die Gauguins Wechsel von einer akademischen zu einer freieren und unkonventionelleren Auffassung von Form und Inhalt demonstrieren.

Paul Gauguin: Heugarben in der Bretagne, 1890  Öl auf Leinwand 74,3 x 93,6 cm © National Gallery of Art, Washington Geschenk der W. Averell Harriman Foundation zum Gedenken an Marie N. Harriman
Paul Gauguin: Heugarben in der Bretagne, 1890 Öl auf Leinwand 74,3 x 93,6 cm © National Gallery of Art, Washington Geschenk der W. Averell Harriman Foundation zum Gedenken an Marie N. Harriman
Paul Gauguin: Die Grillen und die Ameisen – Erinnerung an Martinique, 1889  Suite Volpini Zinkografie auf gelbem Velinpapier 21,6 × 26,1 cm © Albertina, Wien
Paul Gauguin: Die Grillen und die Ameisen – Erinnerung an Martinique, 1889 Suite Volpini Zinkografie auf gelbem Velinpapier 21,6 × 26,1 cm © Albertina, Wien

Gauguins künstlerische Laufbahn beginnt zwar im Kreis der Impressionisten, sein Hauptwerk unterscheidet sich jedoch durch eine starke Abstraktion und eine reduzierte, ungewöhnliche Farbpalette. Der entscheidende Wendepunkt in seinem Schaffen ist das Jahr 1888, als Gauguin in die Bretagne zurückkehrt und dort seinen eigenen, neuen Malstil entwickelt. Starke Farben und klare Formen charakterisieren seine Werke dieser Zeit, die sich zunehmend von den Impressionisten entfernen und eine tiefere emotionale Resonanz anstreben. Der Einfluss seiner Begegnungen mit Künstlerkollegen wie Vincent van Gogh prägt diesen Prozess und führt zu innovativen Experimenten in der Druckgrafik.

Gauguins Reisen nach Tahiti und schließlich auf die Marquesas-Inseln reflektieren sein Streben nach einer eigenen künstlerischen Identität. Seine farbenfrohen und teils surrealistischen Werke, die er aus der Ferne nach Frankreich sendet, sind oft von der kolonialen Realität beeinflusst und thematisieren die innere Zerrissenheit des Künstlers zwischen Eigenem und Fremdem.

Paul Gauguin: Wiese auf Martinique, 1887 67 x 114,5 cm © Arche Noah Museum – Sammlung Kunst & Kultur, Hohenems/Foto: Clemens Rhomberg
Paul Gauguin: Wiese auf Martinique, 1887 67 x 114,5 cm © Arche Noah Museum – Sammlung Kunst & Kultur, Hohenems/Foto: Clemens Rhomberg
Paul Gauguin: Gefäß mit bretonischem Mädchen, Schaf und Gänsen, 1886–87 Steingut 13,5 x 18 x 9 cm Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen © Ole Haupt
Paul Gauguin: Gefäß mit bretonischem Mädchen, Schaf und Gänsen, 1886–87 Steingut 13,5 x 18 x 9 cm Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen © Ole Haupt

Die Ausstellung „Gauguin – unexpected“ geht über die rein ästhetische Betrachtung hinaus und ermutigt die Besucher:innen, sich auch mit den kontroversen Themen der Exotisierung, des Kolonialismus und der kulturellen Aneignung auseinanderzusetzen. Gauguins ambivalente Persönlichkeit und seine komplexe Beziehung zu den von ihm dargestellten Kulturen werfen Fragen auf, die auch heute noch relevant sind. Die Schau tritt somit nicht nur als eine überschwängliche Feier seines künstlerischen Genius auf, sondern auch als kritische Reflexion über die kulturellen und sozialen Dynamiken seiner Zeit.

Paul Gauguin: Der Samen der Areoi, 1892  Öl auf Jute 92,1 x 72,1 cm The Museum of Modern Art, New York The William S. Paley Collection, 1990 © The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florenz
Paul Gauguin: Der Samen der Areoi, 1892 Öl auf Jute 92,1 x 72,1 cm The Museum of Modern Art, New York The William S. Paley Collection, 1990 © The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florenz


Für Gauguin-Kenner:innen ist hier vielleicht wenige „unexpected“. Dennoch bietet die Retrospektive im Bank Austria Kunstforum Wien mit über 80 Werken nicht nur einen umfassenden Überblick über Gauguins Gesamtwerk, sondern auch neue Perspektiven auf einen Künstler, dessen Bildsprache bis heute fortwirkt. Sie lädt ein, die Kunst des Paul Gauguin in ihrem historischen Kontext zu betrachten und ist daher nicht nur eine Hommage an eine Schlüsselfiguren der Moderne, sondern auch eine Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung mit künstlerischer Identität und kulturellen Werten in einer sich schnell verändernden Welt.

Kuratiert von Evelyn Benesch

In Kooperation mit der Albertina Wien

Leihgaben aus großen Privatsammlungen und internationalen Museen, darunter The Art Institute of Chicago; Tate, London; Galleria d’Arte Moderna, Mailand; Minneapolis Institute of Art; The Museum of Modern Art, New York; The Metropolitan Museum of Art, New York; Národní galerie, Prag; National Gallery of Art, Washington; Albertina, Wien und Kunsthaus Zürich.

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