Rezensionen

Monika von Starck: Die Farben von Abgrund und Glück. Autobiographie einer Künstlerin. Dittrich Verlag

Künstlerbiographien gibt es viele und sicherlich sind viele großartig und sprühen nur so von Abenteuer und Unvorhersehbarem. Doch Monika von Starck - geb. Haußmann - (*1939) bietet in gewisser Weise eine gefühlvolle wie spannende Biographie, die einen sehr eigenen Blick herausstellt, welchen Sie auf ihr lesendes Publikum zu übertragen weiß. So zeigt auch das Cover ein Selbstportrait, mit welchem sie diesem Blick geradezu mit Vehemenz bildnerisch Ausdruck verleiht. Sie zeichnet mit Worten wie mit dem Zeichengerät das Bild ihrer Künstlerpersönlichkeit als Frau mit all den Finessen einer Bandbreite, die das Leben in den 40er Jahren bis heute für sie bereithält. Damit liefert sie ein breitgefächertes Werk des Künstlerdaseins von der Nachkriegszeit bis heute und zeigt wie sie sich als Frau in der Welt der Kunst verortet. Melanie Obraz hat sich das eindrucksvolle im Dittrich Verlag erschienene Werk „vorgenommen“.

Cover © Dittrich Verlag
Cover © Dittrich Verlag

Die Augen als Eingang zur Seele sind für die Künstlerin ein Alpha und Omega ihrer Arbeiten. Stets an dem Figurativen interessiert, sind ihre Werke gegenständlich. Sogar in ihrer Akademiezeit, in welcher abstrakt gearbeitet wurde, behielt sie ihren Standpunkt. Die Künstlerin spürte, dass sie auf dieser Ebene eine Entwicklung zum Großen hin erwarten durfte. Paradies und Hölle sind in ihren Bildern oft dicht beieinander. Ihr Bestreben ist es, jene so oft beschworene Suche nach Wahrheit bildlich umzusetzen. Das Gegensätzliche ist für sie dominant. Der Portraitmalerei ist dabei ein besonderes Augenmerk gewidmet, zumal das Individuum in eben einer Einmaligkeit da ist, die nach feinfühlender Transformation verlangt. Mit ihrer Malerei bildet sie die Personen nicht nur ab, sondern holt aus den Modellen etwas hervor, um sie in die Richtung der Betrachter:innen auf den Weg zu bringen.

Monika von Starck: "Trommeln" © Dittrich Verlag
Monika von Starck: "Trommeln" © Dittrich Verlag

Persönliche und sehr schmerzliche, dunkle Erfahrungen wir der „sofortige Stellungsbefehl an die französische Front“, die den Vater der Familie entreißt und die Kälte, die Angst, die in ihr Leben kamen, beschreibt Monika von Starck mit Worten, die jene Lage der Menschen in schwierigen und sozusagen ausweglosen Zeiten ebenso schmerzlich wieder aufleben lassen wie auch die ganz andere Seite des Glücks und der Helligkeit. Sie führt die Leser:innen durch jene Zeit und es entsteht eine Art der Gemeinsamkeit, die eine Empathie für die damals angehende Künstlerin und ihre Kunst entfacht.

Bild mit Eltern © Dittrich Verlag
Bild mit Eltern © Dittrich Verlag


Da ist die Begegnung mit Max Ernst (1891-1976), dem sie ein Kapitel widmet, womit sich ein strahlend heller Moment im Leben der Monika Haußmann bezeugt. Sie ist tief beeindruckt und erwähnt sein Werk „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen“ und zeigt den Menschen Max Ernst und wie er in der Nachkriegszeit in einem Restaurant, in einem Wort die damalige Sichtweise auf Deutschland und die Deutschen charakterisierte und damit vieldeutend formulierte. Es sind wohl diese besonderen Momente, welche die Lebenserinnerungen der Künstlerin so lesenswert machen und das Lebensgefühl jener Zeit auf das Publikum überträgt, so dass sich eine Sozialität im wahrsten Sinne des Wortes entwickelt.

Monika von Starck: "Hallo" © Dittrich Verlag
Monika von Starck: "Hallo" © Dittrich Verlag

Ebenso lichtdurchflutet mutet die Erinnerung an den schon sagenumwobenen Monte Verità an. Spendete doch die sogenannte „alternative Gemeinschaft“ eine Atmosphäre von Freiheit und Andersartigkeit, die fast schon befremdend wirkte. Schönheit, verbunden mit jenem Flair des Monte Verità lässt die Autorin nochmals Revue passieren und zwar in einer authentisch künstlerisch ambitionierten Weise, die nicht lediglich an ein Reiseerlebnis erinnert. Sie sprüht geradezu vor Lebensfreude und vermittelt das Fluidum des Südlichen Charmes, wenn sie Ascona und den Lago Maggiore erwähnt, der von den zahlreichen Künstlerpersönlichkeiten wie Hugo Ball, Ernst Bloch, Hermann Hesse und von vielen Künstlern:innen einen speziellen Charakter erhielt. Monika von Starck erzählt nie distanziert, sondern verweist auf eine Symbiose mit jenen Künstlern:innen, so dass eine Teilhabe der Leser:innen wie selbstverständlich gegeben ist. Man ist mitten im Geschehen und nicht nur als lesender Mensch einer Biographie irgendwie dabei. Auch die sich ereignenden Probleme der angeblichen „Idylle dieser unbürgerlichen Lebensgemeinschaft“ des Monte Verità werden angesprochen.

© Dittrich Verlag
© Dittrich Verlag

Jedes persönliche Erfolgserlebnis, welches ihren Weg vorzeichnete wird leicht und fließend erzählt und deutet den sich ankündigenden künstlerischen Weg der Monika von Starck an. So nimmt auch die Kunstakademie Düsseldorf einen entscheidenden Platz in ihren Lebenserinnerungen ein und sie zeichnet mit Worten ein Bild des Neubeginns und Aufbruchs in eine spannungsgeladene Zeit, in welcher Bazon Brock verkündete: „Die Kunst ist Werkzeug der Erkenntnis“. Dabei vergisst die Autorin nie die Mühen, mit welchen sie auf dem Weg zur Kunst konfrontiert war und zeichnet die sich aufbauenden Hürden und die Tristesse des Künstlerlebens. Womit sie eindrucksvoll bekundet, was man einer Frau nicht zutraute. Das Zitat eines Lehrenden an der Akademie ist diesbezüglich vielsagend: „Ich nehme sowieso keine Mädchen!“ Monika von Starck ließ sich nicht entmutigen und bevorzugte ihre klare Linie im Sinne von Picasso, Beckmann, Caravaggio, Dix, Schiele. Den impressionistischen Tendenzen war sie nicht gewogen.
Versiert verdeutlicht sie den Unterschied zwischen Beuys (1921-1986) und dem abstrakten Maler Joseph Fassbender (1903-1974), da die Arbeiten Fassbenders ihrer Ansicht nach „einen [mehr] individuellen und privaten Charakter“ ausstrahlten. Ebenso kenntnisreich erwähnt sie Joseph Beuys und eine seiner publikumswirksamen Darstellungen in der Galerie Schmela und seine Verbindung zu Fluxus.

Monika von Starck: "Prof. Joseph Fajbender" © Dittrich Verlag
Monika von Starck: "Prof. Joseph Fajbender" © Dittrich Verlag


Den Lesern:innen gewährt sie offen Einblick in ihre psychische wie intellektuellen Erfahrungen, die auch in ihrer Erkenntnis gipfeln, eine der Hauptaufgaben des Künstlers sei vor allem „das Sehen und das Erkennen“. Ihre Erzählungen deuten den Pfad dahingehend, wie jener Prozess in ihr zur Reife gelangte. Persönliche Enttäuschungen aus dem Freundeskreis finden hier ebenso Erwähnung wie auch das eigene Hinterfragen, die Arbeit an sich und wie man dabei lernt. Ein gesamtes Leben ist mit dem Malen „ausgefüllt“, denn die künstlerische Tätigkeit ist für Monika von Starck eben kein sonntägliches Vergnügen: Das „Malen ist Häutung“.

Monika von Starck: "Balance" © Dittrich Verlag
Monika von Starck: "Balance" © Dittrich Verlag

Mit ihrer Aussage: „Ich muss malen, um an den Ursprung unseres Seins zu glauben“, beweist sie auch einen sich stets abzeichnenden Kampf, der zur inneren Reife führt und dennoch auch schmerzlich war und ist. Ganz in diesem Sinne ist Monika von Starck stets dabei, ein neues Bild zu beginnen. Ihre Autobiographie ist keine Aneinanderreihung von Augenblicken und Ereignissen, sondern der Entwurf und zugleich die Ausführung eines Bildes, welches einem vielsagenden Wandteppich aus Erinnerungen und Erwartungen gleichkommt. Das kunstinteressierte Publikum wird vieles neu entdecken und bestätigt finden, so wie sich auch den noch nicht Interessierten ein Zugang zur Welt der Kunst facettenreich eröffnet.

Monika von Starck
Die Farben von Abgrund und Glück. Autobiographie einer Künstlerin.
Erscheinungsdatum
Dittrich Verlag, ein Imprint der Velbrück GmbH Bücher und Medien
412 Seiten
ISBN: 978-3-910732-20-9

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